1. Preis

MLA+ GmbH (Berlin/Rotterdam) mit Lysann Schmidt Landschaftsarchitektur (Wismar)

Erläuterungstext der Planungsgemeinschaft

Entwurfsidee / Städtebauliches Konzept
Die Anordnung der städtebaulichen Volumina wird ausgehend vom Freiraumkonzept entwickelt. Wie im Diagramm „Leitidee“ (auf Blatt 2, rechts) dargestellt wird der Freiraum in vier Kategorien gegliedert: Quartierseingang, urbaner Park, Gartenhof und Grüne Promenade.

Quartierseingang: Ein lebendiger Ort als Auftakt und Eingang zum Quartier, visuell gut von der Thaerstraßenbrücke sichtbar; nach Norden erweitert sich dieser Bereich zu einem platzartigen Raum, der das Potential für eine Quartiersmitte für das neue- und die bestehenden Quartiere bildet. – Ein Tor zum Fennpfuhl!

Urbaner Park:
Entlang der Storkower Straße entsteht durch die besondere planungsrechtliche Situation (A 100) das Potential für einen großzügigen Freiraum, der einerseits durch die Südlage begünstigt ist, andererseits dem Verkehrslärm ausgesetzt ist. Dieser Bereich wird atmosphärisch als urbaner Park konzipiert, mit aktiver, z.T. auch lärmintensiver Programmierung (z.B. Sportflächen, Spielflächen etc.)

Gartenhof:
Ruhigerer Bereich, vom Verkehrslärm abgeschirmt; hier entsteht hohe Aufenthaltsqualität mit sehr grüner Atmosphäre insbesondere für die neuen Bewohner; hier wird das Konzept der „produktiven Landschaft“ (s. Freiraumkonzept) besonders deutlich.

Grüne Promenade:
Wird als bestehendes Freiraumelement mit hoher Qualität aufgegriffen, gestärkt und weiterentwickelt.

Städtebauliche Volumen:
Ausgehend von dieser räumlichen Sequenz werden die städtebaulichen Volumen organisiert.

Entlang der Storkower Straße, den urbanen Park begleitend wird ein solider Rand ausgebildet, der allerdings immer wieder durch kleine Lücken unterbrochen wird; damit wird trotz schallschützender Wirkung eine hohe Durchlässigkeit und gute Vernetzung auf Fußgängerebene garantiert.
Nach Norden wird die Bebauung (in Form von großen Punkthäusern) stärker aufgelöst. Die Baustruktur wird offener, durchlässiger und damit stärker mit dem bestehenden Quartier vernetzt.

Typologien:
Im Rand entlang der Storkower Straße: Wohnbautypologie mit begrenzter Gebäudetiefe (14,50m); Möglichkeit von durchgesteckten Wohnungen und einseitigen Wohnungen in Drei- bis Vierspänner-Organisation.
Im Nördlichen Bereich: „Gartenhäuser“ – Punkthäuser mit zentralem Erschließungskern und hoher Gebäudetiefe (22m), als Achtspänner organisiert.
Das Sicherheitstreppenhaus-Light kommt bei allen Wohngebäuden unterhalb der Hochhausgrenze zur Anwendung.

Hochpunkte:
In der Randbebauung entlang der Storkower Straße werden drei Hochhäuser integriert. (Baurechtliche Höhe maximal 60m)
Mit unserem Entwurf schlagen wir eine insgesamt möglichst hohe Bebauung vor. Bei der angestrebten Dichte sollte die Möglichkeit der Hochhausbebauung ausgeschöpft werden, um im Gegenzug den Freiraumanteil zu maximieren, und den Versiegelungsanteil zu minimieren.
Die Hochhäuser werden entlang der Storkower Straße in regelmäßigem Rhythmus angeordnet. Dadurch entsteht ein starker baulicher Ausdruck in Richtung Stadt. Das neue Quartier erhält ein „Gesicht“. Der Bauliche Hochpunkt mit dem BIM-Gebäude markiert zusätzlich den Quartierseingang. Die flachere Bebauung alterniert zwischen Sieben und Acht Geschossen. Am Quartierseingang entsteht mit dem Achtgeschossigen Hochpunkt auf der Quartiersgarage ein zusätzlicher Akzent, der die Torsituation am Quartierseingang artikuliert.
Die Quartiersgarage mit zukünftiger Wohnnutzung und publikumswirksamer Erdgeschossnutzung haben wir auf der Grundstücksfläche nordwestlich des Quartierseingangs platziert. Der Baukörper ist so orientiert, dass ein westlicher baulicher Abschluss für die bestehende grünen Achse (Grüner Boulevard) entsteht.
Der Quartierseingang wird östlich der Quartiersgarage baulich von den angrenzenden Volumen räumlich gefasst. Eine platzartige Situation entsteht.

Nutzungskonzept:
Urbaner Sockel: Alle Erdgeschosse sind mit publikumswirksamen Funktionen programmiert. (Einzelhandel, Kita, Mobilität, Eingänge, Ateliers, etc.) Es entsteht ein durchgängiger, urbaner Sockel; architektonisch geprägt durch großzügige Geschosshöhe, hohe Fassadentransparenz, dadurch starke Nahbarkeit in Ausdruck und Ausstrahlung auf den umliegenden öffentlichen Raum.

Wohnen:
Wohnfunktionen in den Obergeschossen östlich und nördlich an die Büronutzung der BIM angrenzend.

Büronutzung:
Wird an einem Hochhausstandort direkt am Quartierseingang konzentriert.

Quartiersgarage mit zukünftiger Wohnnutzung:
im Nordwesten des Projektgebiets, als freistehender Baukörper mit Innenhof. Die Transformation zur Wohnnutzung ist zeichnerisch dargestellt.

Städtebauliche Begründung:
Abstandsflächen in Gebäudelücken entlang der Storkower Straße: Der entlang der Storkower Straße ausgebildete Rand enthält Lücken, die der generellen Durchlässigkeit für Fußgänger und der Vernetzung mit der Umgebung dienen. Diese Lücken sind – städtebaulich gewollt – schmal dimensioniert. Hier entstehen Überdeckungen der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen.
Begründung: Durch die relativ geringe Gebäudetiefe, der hier angeordneten 7 -8 geschossigen Wohnbaukörper sind hier durchgesteckte Wohnungen möglich. Bei der Grundrissgestaltung können einseitig zu den Abstandsflächenüberdeckungen orientierte Aufenthaltsräume ausgeschlossen werden. Die gesunden Wohnverhältnisse bleiben somit gewahrt.

Abstandsflächen der Hochhäuser:
Bei den drei Hochhäusern entstehen z.T. Abstandsflächenüberdeckungen zur angrenzenden Bebauung.
Begründung: Die Hochpunkte sind so platziert, dass keine Abstandsflächen auf benachbarte, außerhalb des Projektgebiets liegende Grundstücke fallen. Alle Abstandsflächenüberschreitungen liegen im Projektgebiet, oder im öffentlichen Straßenland / bzw. öffentlichen Grünflächen. Die im Projektgebiet liegenden Abstandsflächenüberschreitungen sind im Falle des baulichen Randes entlang der Storkower Straße gut begründbar. (s.o.). Die Abstandsflächenüberschreitung des HOWOGE-Hochhauses (mittleres Hochhaus) mit dem nördlich davon gelegenen „Gartenhaus“ ist durch die außerordentlich gute Belichtung der betroffenen Südwohnungen ebenfalls gut begründbar.

Schallschutz:

Durch die Ausbildung eines soliden Randes entlang der Storkower Straße reagiert das städtebauliche Konzept im Sinne einer aktiven Schallschutzmaßnahme hinsichtlich des hier anfallenden Verkehrslärms. Die o-g. geringen Gebäudetiefen erlauben eine adäquate Reaktion der Grundrisse auf die Schallschutzanforderung. (50% der Aufenthaltsräume in betroffenen Wohnungen können zur schallabgewandten Seite angeordnet werden.)
Insgesamt lässt sich trotz der erheblichen baulichen Dichte eine hohe städtebauliche Qualität nachweisen. Die Ausweisung als MU (auch mit einer dafür hohen GFZ), ist u.E. unter Betrachtung der o.g. Punkte in einem Bebauungsplanverfahren begründbar.

Erschließung / Verkehr:
Von der Thaerstraßenbrücke erfolgt die Haupterschließung des Quartiers über eine zweispurige Straße mit begleitenden Rad- und Gehwegen. Der Eingangsplatz verbindet die Quartiersgarage im Westen, das BIM Gebäude und die Grüne Promenade und somit der Wohnbebauung. Auf der qualitativ hochwertigen Platzfläche befinden sich die Haupteingänge und auch Restaurantterrassen, die somit zu einem belebten Quartier beitragen. Auch die Quartiersgarage wird direkt südlich des Platzes erschlossen, so dass das gesamte innere Quartier Pkw- frei bleiben kann. Auch der Hol- und Bringverkehr für die Kita wird über die Quartiersgarage abgewickelt, in der besondere Kita-Elternplätze vorgehalten werden.
Zwei geradlinige Fuß- und Radverkehrsachsen im Norden und Süden des Projektgebietes erschließen die außen liegenden Eingänge der Gebäude. Diese effizienten Ost-West-Achsen mit getrennter Verkehrsführung dienen den neuen Bewohnern und dem gesamten Quartier als sichere und schnelle Verbindung zwischen Fennpfuhl Zentrum und der Quartiersgarage sowie zu den S-Bahn-Haltestellen Landsberger Allee und Storkower Straße.
Die östliche Storkower Straße bleibt als zweispurige Straße erhalten und wird durch beidseitige Radwege ergänzt, die mit der „Grünen Promenade“ verbunden sind. Diese Straße dient als zweite Erschließung des Quartiers von Süden, besonders auch für den Anlieferverkehr der Gewerbeeinheiten der Otto-Wulf-Parzelle. Weiterer Anlieferverkehr wird über die Verlängerung der Arthur-Weisbrodt-Straße im Westen und über den Anlieferstreifen entlang der südlichen Storkower Straße abgewickelt.

Freiflächenkonzept

Einleitung – Das Ortsspezifische

Das WB Grundstück liegt an der Schnittstelle dreier Bezirke: Lichtenberg (im Osten), Pankow (im Nord-Westen) und Friedrichshain (im Süden). Neben den Vorgaben der Aufgabenstellung haben wir uns mit den ortsspezifischen Eigenschaften der vorhandenen Stadtlandschaft auseinandergesetzt. Fließende halböffentliche Grünräume in den Blockinnenbereichen der verschiedenen Siedlungsepochen stellen einen ruhigen aber auch wenig programmiertem Freiraum mit einem feingliedrigen Fußwegenetz besonders Richtung Norden dar. In Ost-West Richtung dominieren die Baumalleen der Max-Brunnow sowie der Erich-Kuttner-Straße, die eine starke Grünverbindung zum Fennpfuhler Zentrum mit Bildungs- und Gewerbeeinheiten aber auch zum Erich-Seiffert-Park darstellen. Der Blick in die Vergangenheit hat uns aber noch eine weitere Besonderheit aufgezeigt, die heute nur noch an der Kleingartenanlage „An der Roeder Siedlung“ ablesbar ist: Die Landschaft im Bereich Fennpfuhler Tor wurde über Jahrzehnte zur Lebensmittelproduktion für die Berliner genutzt. Vor der Stadterweiterung 1862 lag unser Gebiet außerhalb der Berliner Stadt und wurde von Bauern, die Ihre Waren auf den Berliner Wochenmärkten anboten, landwirtschaftlich genutzt. Durch die Bevölkerungsexplosion im 19.Jhd. veränderte sich nicht nur das Stadtbild, sondern auch die Versorgung der Berliner. Trotz der Agrarreformen des frühen 19.Jhd und der Entwicklung der Infrastruktur, d.h. dem Bau von gepflasterten Chausseen, Bahngleisen, Markthallen und des ersten kommunalen Schlachthofs in direkter Nähe, war die Versorgung nicht krisenfest und es kam immer wieder zu Versorgungsengpässen. Die ersten Laubenkolonien und Arbeitergärten (oder Rot-Kreuz-Gärten) wurden Ende des 19.Jhd. gegründet, auch um zur Verbesserung der Ernährung der Arbeiter beizutragen. Sowohl städtische, aber auch kirchliche und private Flächen wurden großflächig für die Gartenbewirtschaftung umgestaltet. Luftbilder aus dieser Zeit zeigen ein Gürtel aus Laubenkolonien außerhalb der Ringbahn, ganz besonders dicht nördlich der Storkower Straße. Gerade während der beiden Weltkriege spielten die Kleingärten eine ernährungspolitische Rolle. Die Überformung dieser Gartenlandschaft fand dann in den 50er Jahren statt. Die Umsetzung des Städtebaulichen Wettbewerbs von Ernst May berücksichtigte die Kleingartenparzellen nicht, sondern thematisierte die frei fließende Landschaft zwischen den Baukörpern.

Freiraumkonzept – Das produktive Quartier

Auch heute interessiert sich Politik und Forschung für die Frage „Wie kann die Bevölkerung der Stadt Berlin mit umweltfreundlich und regional produzierten Lebensmitteln versorgt werden?“  in einem aktuellen Artikel vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung. Für die Landschaft von bestehenden, aber auch neuen Stadtquartieren bedeutet dies eine Möglichkeit zur weiteren Multicodierung im Sinne der grün-blauen Infrastruktur. Wir möchten mit diesem Entwurf dazu beitragen, dass sich sowohl die Freiflächen im neuen Quartier als auch die der bestehenden Siedlungsstruktur hin zu einer produktiven Landschaft entwickeln. Als produktive Landschaft verstehen wir eine vielfältige Landschaft, die

Nahrungsmittel (Obst, Gemüse, Kräuter…) produziert

Erholungs- und Interaktionsräume für die Bewohner bietet

Lebensraum und Nahrungsquelle für Vögel, Kleinsäuger und Insekten darstellt

Biodivers ist und dem Artensterben entgegenwirkt

Regenwasser zwischenspeichert und verdunstet und somit ein anschlussfreies Quartier entstehen lässt

Zur Verbesserung der Luftqualität und Kühlung des Mikroklimas beiträgt

Grünstruktur

Ausgehend von diesen Prinzipien haben wir eine Grünstruktur geschaffen, die die bestehenden Gehölze weitgehend erhält und durch neue Garten- und Freiraumtypologien ergänzt. Die Baumreihen in der Grünen Promenade und entlang der Kante zur Storkower Straße werden erhalten und durch eine trockenheitsresistente Unterpflanzung ergänzt. Die grüne Promenade führt auf den neuen Quartiersplatz, der den Eingang zum Quartier von Süden markiert. In Nord-Süd-Richtung werden entlang der bestehenden Wege leicht vertiefte Verdunstungsbänder mit artenreicher Stauden-Gräser-Mischung angelegt.
Innerhalb der Bebauung soll das Thema „Produktive Landschaft“ in den Grünflächen besonders erlebbar sein. Deshalb haben wir Obstbaum Haine auf offenen Wiesen vorgesehen, die sowohl den Bewohnern als auch Besuchern aus den angrenzenden Bürogebäuden zum Ernten einladen. Die privaten Grünflächen auf den Dächern stehen dann nur den direkten Anwohnern des Objektes zur Verfügung. Die durch Heckenbänder strukturierten und parzellierten Flächen können von den Bewohnern zusätzlich zu ihren Wohnungen gemietet werden um dort Gemüse, Kräuter oder Obsthecken anzubauen. Die weiteren extensiven Gründächer leisten Sie einen wertvollen Beitrag zur Artenvielfalt, weil die verschiedenen Sedum- und andere Trachtenpflanzen Insekten wie Bienen und Schmetterlinge anziehen. Die Kindergartenfreifläche ist in eine zentrale größere Spiellandschaft eingebettet, die allen Kindern des Quartiers neue Spielmöglichkeiten bietet. Die Nähe zu den angrenzenden strukturreichen Grünflächen lädt auch zum Lernen und Beobachten der anderen Mitbewohner (wie Vögel, Igel, Schmetterlinge…) ein, die sich hier ansiedeln werden. Die „Grüne Kante“ wird in eine tiefer gelegene urbane Sportlandschaft mit neuen Bäumen gestaltet und erlaubt bei Starkregen die Flutung, Zwischenspeicherung und Versickerung des überschüssigen Regenwassers.

Umweltkonzept

Angestrebte Einzelmaßnahmen sind im Diagramm „Klimaresiliente und Nachhaltige Quartiersentwicklung“ dargestellt.

Regenwasserkonzept

Das gesamte Projekt folgt den Prinzipien der Schwammstadt und wird (mit Ausnahme der öffentlichen Haupterschließungsstraßen) als abflussloses Quartier konzipiert. Die öffentlichen Wege werden seitlich in Verdunstungsbänder entwässert, die auch der Kühlung des Quartiers dienen.
Auf den privaten Flächen kommt das Kaskadensystem zur Anwendung, d.h. Regenwasser wird zuerst auf den Retentionsdächern gespeichert. Sind diese Speicher, die auch der Bepflanzung zugutekommen, gesättigt, wird das überschüssige Regenwasser in die abgedichteten Verdunstungsbänder, die an jedem Grundstück vorbeführen, geleitet. Von den Verdunstungsflächen fließt das Wasser in drei Versickerungsmulden in der zentralen Wiese und weiter nach Süden zur größten Retentions- und Versickerungsfläche im neuen Park, welche am natürlichen Tiefpunkt liegt. Auch bei Starkregen wird hier in den abgesenkten Sportanlagen und Wiesen das zusätzliche Regenwasser zwischenspeichert und zeitverzögert versickert. Zisternen innerhalb der Gebäude können zusätzlich zur Gartenbewässerung (Dächer und Obstbaumwiesen) genutzt werden.

Energie

Das städtebauliche Konzept stellt die Weichen für die unter Punkt 4.5 genannten Punkte für ein mittelfristig klimaneutrales Stadtquartier. Die Integration von Photovoltaik und die Ausrichtung der Gebäude bildet die Grundlage für eine Quartiersnahe Energieversorgung. Zusätzliche Potentiale, (insbesondere Geothermie) sollten im Sinne eines Quartiersübergreifenden Energiekonzepts im Anschluss an das Werkstattverfahren untersucht werden.